Bild: Nest

Endlich soll der intelligente Heizungsthermostat Google Nest auch nach Deutschland kommen. Doch hierzulande gibt es längst smarte Lösungen wie Tado, Netatmo oder Innogy Smarthome. Hier lesen Sie, wie sie funktionieren und welches System was kann. 

Wenn irgendwo auf der Welt jemand über eine Smarthome-Anwendung referiert, die für jedermann verständlich ist, dann fällt früher oder später der Name Nest. Seit ein paar Jahren schon verkaufen die Nest Labs in den USA einen vernetzten Heizungsthermostat, der direkt auf die Heizungstherme zugreift, um diese besonders intelligent und vor allem selbstlernend zu steuern.

Der Nest-Thermostat kommt nach Deutschland – bald

Mitte Januar 2017 schließlich kündigten die Nest Labs an, ihre vernetzten Produkte rund um den Thermostat offiziell auch in Deutschland, Österreich, Italien und Spanien auf den Markt zu bringen. Hierzulande startet der Hersteller allerdings zunächst nur mit seinen vernetzten Rauchmeldern und Überwachungskameras. Der lernfähige Heizungsthermostat ist erst für einen späteren Zeitpunkt dieses Jahres angekündigt worden. Offenbar muss der Hersteller seinen smarten Heizungsthermostat noch an die schier unzähligen unterschiedlichen Heizungstypen in Deutschland anpassen.

Es wird also wohl erst zur nächsten Heizperiode etwas mit der schlauen und effizienten Steuerung durch Nest. Oder Interessenten greifen jetzt zu Alternativen. Denn das Nest-Prinzip der selbst lernenden Heizungssteuerung ist längst nicht neu. Eine ganze Reihe Systeme nutzen ähnliche Funktionen, wie sie auch Nest zur Kontrolle der Wärmezufuhr bietet – und noch mehr. Was eine smarte Heizungssteuerung ausmacht und welche Systeme die einzelnen Prinzipien unterstützten, zeigt die folgende Übersicht.

An- und Abwesenheitserkennung 

Der smarte Heizungsstermostat ist über einen Onlinedienst mit den Smartphones der Bewohner verbunden und erkennt so anhand deren GPS-Daten, ob diese zu Hause sind – oder weit entfernt. Je nach Entfernung und der potentiellen Zeit, um heimzukommen, erlaubt das System eine mehr oder weniger starke Absenkung. Im Idealfall startet die Heizung bereits mit dem Aufwärme, sobald sich ein Bewohner dem Heim nähert. Eine solche Heimkomm-Intelligenz bietet bislang neben Nest nur das deutsche System Tado°. Es greift wie Nest direkt auf die Heizungstherme zu kann laut Hersteller über 600 verschiedene Thermen-Typen befehligen.

Die Tado-App zeigt die verschiedenen Zustände wie An- oder Abwesenheit der Bewohner über farbige Menüoberflächen an.
Die Tado-App zeigt die verschiedenen Zustände wie An- oder Abwesenheit der Bewohner über farbige Menüoberflächen an.

Eine ortsabhängige Steuerung per Geolocation nach dem Ein-Aus-Prinzip ermöglicht etwa auch der Rademacher Home Pilot. Auch die übergreifende Heimsteuerung mit Apple-Geräten und Homekit, etwa mit den Heizkörper-Thermostaten im System Elgato Eve lassen sich so programmieren, dass sie bei Abwesenheit der Nutzer die Temperatur herunter regeln.

Auch in größeren Smarthome-Systemen mit Bussteuerung lassen sich ähnliche Geofencing-Funktionen programmieren, allerdings bieten auch diese in der Regel nicht die Möglichkeit, die Temperatur schrittweise bei der Annäherung ans Heim hoch zu regeln.

Heizungs-Zeitpläne und -Fernbedienung

Es kann auch sinnvoll sein, dass die Wohnung an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten optimal temperiert ist – wegen des Babysitters, der Putzhilfe, dem Nachwuchs ohne Smartphone – oder wenn die bucklige Verwandtschaft zu Besuch ist. In der Regel definiert man über eine Zeitschaltuhr für jeden Wochentag, wann die Nachtabsenkung aktiv wird und zu welchen Zeiten üblicherweise niemand zu Hause ist.

In den meisten Systemen wird für die Nachtabsenkung wie auch die Abwesenheitszeiten tagsüber eine feste Temperatur eingestellt, bis zu der das System die Wohnung abkühlen lässt. Diese Temperatur muss der Nutzer selbst einstellen. Dabei gilt: Je kürzer die Abwesenheitszeiten sind, desto weniger sollte die Temperatur sinken, da sonst die Einsparungen durch die Absenkung beim Aufheizen wieder komplett verbraucht werden. 

Für den Fall, dass man doch früher nach Hause kommt oder kurzfristig längere Zeit die Wohnung verlässt, gibt es die Fernsteuerung übers Internet von außerhalb. So lässt sich etwa kurz vor Ende des Urlaubs die Wohnung schon einmal aufheizen, so dass man auch im strengen Winter in ein wohlig vorgeheiztes Heim zurückkehrt.

Die Steuerung per Zeitplan wie auch die Online-Fernbedienung gehört in praktisch allen Smarthome-Heizungssteuerungen zur Basisausstattung, auch solche in Smarthome-Funksystemen zum Nachrüsten. Für diesen Fernzugriff verlangen einige System-Anbieter allerdings auf Dauer Gebühren – so etwa Innogy Smarthome oder Telekom Magenta Smarthome.  

Selbstlernende Heizungssteuerung

Die ideale Heizung schaltet sich nicht dann ein, wenn es ein Zeitplan vorgibt, sondern so, dass zum vorgegebenen Zeitpunkt die Wunschtemperatur im Raum erreicht ist. Da die Heizcharakteristik aber in jedem Raum und in jedem Haus eine Andere ist und neben baulichen Eigenschaften (Dämmung, Fenster, Raum-Größe) auch vom Wetter und der Außentemperatur abhängt, beherrschen nur wenige vernetzte Heizungssteuerungen diese Kunst.

Um die Raumeigenschaften zu lernen, muss die Heizungssteuerung über einen längeren Zeitraum mit Temperaturfühlern erfassen, wie lange es dauert, bis ein Raum eine zuvor eingestellte Wunschtemperatur erreicht. Die Messwerte werden mit Wetterdaten von einer Außenstation oder aus dem Internet verglichen, so dass das System nach einiger Zeit weiß, wann es bei einer bestimmten Außentemperatur starten muss den Raum zu heizen, um zum Wunschzeitpunkt die eingestellte Temperatur im Raum zu erreichen. Neben Nest von Google nimmt auch Tado° dieses Talent für sich in Anspruch, ebenso wie die per Enocean-Funkstandard kommunizierende, selbstlernende Heizungssteuerung AlphaEOS vom gleichnamigen Unternehmen aus Stuttgart und der Smart Thermostat von Netatmo.

Der Netatmo-Thermostat berechnet den Heiz-Zeitplan auf Basis der gewünschten Raumtemperatur, ebenso wie die Systeme von Nest, Tado und AlphaEOS.
Der Netatmo-Thermostat berechnet den Heiz-Zeitplan auf Basis der gewünschten Raumtemperatur, ebenso wie die Systeme von Nest, Tado und AlphaEOS.

Andere Systeme aktivieren die Heizung schlicht über Schaltbefehle. Hier muss der Nutzer selbst abschätzen, wann er die Heizung einschalten lässt, um etwa beim Aufstehen morgens eine angenehme Temperatur im Haus zu haben. Bei klirrender Kälte und einer entsprechend stark abgekühlten Wohnung kann es dann noch zu kalt sein, bei warmem Wetter wird möglicherweise Energie verschwendet, weil die Heizung sich zu früh aktiviert.

Als Exklusiv-Funktion verspricht Nest obendrein, dass der smarte Thermostat Zeitpläne mit der Zeit selbst lernen soll. Wenn man i den ersten Tagen etwa abends die Temperatur zur typischen  Schlafenszeit herunter regelt, dann merkt sich der Thermostat diese Zeit und übernimmt sie auf Dauer in seine Automatik – auch das ist eine Selbstlern-Funktion.

Jeden Raum einzeln steuern

In einer klassischen Heizkörper-Heizung steckt auf jedem Radiator ein Thermostatventil, das die Temperatur im betreffenden Zimmer je nach seiner Einstellung regelt. Der smarte Heizungsthermostat Nest indes hängt in einem bestimmten Zimmer und schaltet von dort aus die Therme ein oder aus, je nachdem ob er heizen soll oder nicht, ob es im betreffenden Raum warm genug ist oder nicht, ob jemand zu Hause ist oder nicht. Kurzum: Nest bietet eine smarte, selbstlernende Heizungsregelung, aber eben nur eine zentrale Steuerung der Wärmezufuhr.

Die meisten anderen Heizungssteuerungen sind in diesem Punkt bereits einen Schritt weiter. Typische Smarthome-Nachrüstpakete wie Innogy Smarthome, Telekom Smarthome & Co, aber etwa auch das selbstlernende System von Alpha EOS steuern in erster Linie die Heizkörper oder aber Fußboden-Heizkreise direkt an und erlauben so eine individuelle Temperaturregelung in jedem Raum, teils sogar mit eigenen Zeitplänen pro Heizzone. Neben der individuellen Steuerung hat das auch den Vorteil, dass man nicht nur Heizungen mit eigener Therme vernetzt steuern kann, sondern auch Wohnungen, die per Fernwärme beheizt werden. 

Eine zentrale Steuerung der Therme zusammen mit einer Regelung jedes einzelnen Heizkreises bieten indes die Systeme von Tado° und dem Netatmo Smart Thermostat. Zu beiden Systemen gehören sowohl eine zentrale Steuerungseinheit, um die Heiztherme zu steuern, als auch Heizkörperthermostate, um die Temperatur in einzelnen Räumen zu kontrollieren.

Mit Funk-Heizkörperthermostaten lässt sich die zentrale Steuerung der Therme um eine Einzelraum-Regelung ergänzen. tado und Netatmo können das, Nest bislang nicht.
Mit Funk-Heizkörperthermostaten lässt sich die zentrale Steuerung der Therme um eine Einzelraum-Regelung ergänzen. tado und Netatmo können das, Nest bislang nicht. 

Einbindung in übergreifende Systeme

Die Heizungssteuerung ist sicher eine sehr sinnvolle Smarthome-Anwendungen, aber unterm Strich nur eine von Vielen. Die Frage ist, ob und wie sich die verschiedenen Systeme übergreifend steuern lassen und etwa ihre Sensoren-Messwerte auch anderen Systemen zur Verfügung stellen. Google Nest gilt hier als recht wegweisend, denn der smarte Thermostat hat ab Werk eine offene Programmierschnittstelle, über die andere Systemanbieter auf Nest zugreifen können. Die Online-Steuerungsplattformen IFTTT (“If This Then That”) und eine Vielzahl von Smarthome-Systemen können den selbstlernenden Thermostaten nutzen, Nest Labs unterhält dafür ein eigenes Programm mil dem Namen „works with Nest“. Dort sind selbst Profi-Smarthomesysteme wie Crestron oder Control 4 gelistet, die Nest als Heizungssteuerung in ihre Smarthome-Logiken integrieren. 

Auch die spezialisierten Heizungssteuerungen von Tado° und Netatmo lassen sich über externe Steuerungssysteme kontrollieren. Sie sind etwa beide auf den Einsatz im Apple-System Homekit vorbereitet, wobei Tado die Homekit-Integration bis heute noch nicht ganz abgeschlossen hat. Beide lassen sich aber, ebenso wie Nest, über den smarten Streaming-Universallautsprecher Amazon Echo und dessen Sprachsteuerung Alexa befehligen.Heizungssteuerungen als Teil umfassender Smarthome-Systeme à la Innogy Smarthome & Co. lassen sich schon ab Werk mit der Licht-, Rollo- oder Multiroom-Musiksteuerung zusammen in einer App kontrollieren.

Ist der Nest Thermostat das Maß aller Dinge?

Der formschöne, runde Heizungsthermostat Nest kann sich mit Fug und Recht als eines der bekanntesten Smarthome-Devices des Planeten feiern lassen, und man darf gespannt sein, wie er sich mit seiner universellen Integration in alle möglichen Systeme in Deutschland etabliert. Funktional kann man heute schon festhalten, dass andere System derzeit mehr auf dem Kasten haben.

Nimmt man alle möglichen Funktionen einer Heizungssteuerung zusammen, dann bietet das System von Tado° derzeit am meisten. Praktisch: Es kostet mit 250 Euro für den zentralen Thermostat ebenso viel, wie Nest für sein Produkt verlangen wird, wenn’s auf  den Markt kommt. Die Steuerung einzelner Räume mit Funk-Heizkörperthermostaten von Tado kostet aber logischerweise extra – 79 Euro verlangt der Hersteller pro Heizkörper.

Ein weiterer Aspekt: Bei den Nest Labs hat man es mit einem US-Unternehmen zu tun, das zum Google-Imperium gehört. Nest betreibt auch den Onlinedienst, über den der smarte Thermostat etwa den Wohnort seines Besitzers und die Aufenthaltsorte der Bewohner kennt. Wie bei Google verarbeitet auch Nest die Daten nach US-Datenschutzrecht. Tado dagegen ist ein deutsches, Netatmo ein französisches Unternehmen. Beide müssen für eine korrekte Funktion des jeweiligen Systems ebenfalls persönliche Daten ihrer Nutzer verarbeiten, sie tun das aber in Europa, nach europäischen Datenschutzgesetzen. Ob das für Kunden einen Ausschlag für das eine oder gegen das andere Produkt gibt, kann jeder selbst entscheiden – zumal sich die meisten Internetnutzer ja auch bei der Web-Suche gern auf die Dienste von Google verlassen und dort mehr oder weniger freiwillig ihre Such-Daten zu Marktforschungs- und Werbezwecken abliefern. 

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