KNX Systeme

Frischer Wind im intelligenten Haus: Etablierte Hersteller ergänzen ihre komplexen Smarthome-Server um Geräte wie Gira X1, Jung Smart Visu Server oder Hager Coviva, die eher auf den Bedarf und die Budgets normaler Einfamilienhaus-Besitzer ausgerichtet sind. 

Sie heißen „Jung Facility Pilot“, „Gira Homeserver“ oder „Hager Domovea“ und sind bis dato die Platzhirsche unter den Smarthome-Zentralen auf Basis einer KNX-Businstallation. Für Bauherren stehen solche Smarthome-Zentralen aber auch für eine nicht unerhebliche Investition in Hardware, zu der je nach Anspruch an die Automatisierung noch einiger Progammier- und Konfigurationsaufwand durch den Systemintegrator hinzukommt.

An manchem KNX-Server lässt sich so ziemlich alles individuell anpassen – von den Logiken und Funktionen im Haus bis zur Darstellung des Steuerungsmenüs auf Wand-Displays und in den zugehörigen Apps. Eine Schwierigkeit ist dabei, dass auch viele Elektriker angesichts der Komplexität der Systeme von vorn herein die Segel strichen und ihren Kunden lieber eine klassische Elektroinstallation anböten. Die Komplexität der KNX-Server rührt indes auch daher, dass ein „Gira-Homeserver“ und erst Recht der „Jung-Facility-Pilot“ nicht nur für Wohnhäuser konzipiert wurden, sondern vielfach in großen Villen oder gar in Nutz- und Gewerbeobjekten zum Einsatz kommen. 

Smarthome – jetzt auch im Reihenhaus

Seit ein paar Jahren ist aber der Trend zur Hausautomatisierung in normalen Einfamilienhäusern und Wohnungen unübersehbar. Das Smarthome dringt in die breite Masse, Funksysteme und kabelgebundene Lösungen für kleineres Geld sind auf dem Vormarsch:
Systeme wie Wibutler, Loxone oder Digitalstrom etwa wurden in den letzten Jahren von immer mehr Elektro-Fachbetrieben ins Sortiment aufgenommen, um auch durchschnittlichen Häuslebauern und Renovierern eine bezahlbare Smarthome-Lösung anbieten zu können. 

In diesem Marktsegment haben es Elektriker und Planer mit Kunden zu tun, die sich genau überlegen, wofür sie Geld ausgeben. Und häufig auch mit Anwendern, die über einfache Funklösungen wie etwa Philips Hue LED-Funkleuchten, einer Tado-Heizungssteuerung oder einem Startetest von Innogy Smarthome oder Magenta Smarthome schon erste Erfahrungen in der Heimautomation sammeln konnten. Kunden, die also auch schon die eine oder andere vernetzte Komponente mitbringen, die sie gerne in das System integrieren wollen. Hier sind praktische, erweiterbare Lösungen gefragt, die sich auch weiter ausbauen lassen, ohne für jede steuerbare Glühbirne den Elektriker rufen zu müssen.

Weniger komplexe Lösungen sind gefragt

Auf den Bedarf nach günstigen und offenen Systemen reagieren die etablierten Hersteller mit unterschiedlichen Lösungen. Busch-Jaeger etwa hat bereits vor gut zwei Jahren neben seinem KNX-System das günstigere Bussystem „Busch Free@home“ eingeführt, das pro Haus bis zu 64 Komponenten über ein proprietäres Busprotokoll mit der zugehörigen Schaltzentrale verbindet. Nach und nach öffnet der Hersteller dieses geschlossene System, bindet beispielsweise die beliebten LED-Leuchten Philips Hue in sein System mit ein und hat mitterweile auch eine Funk-Erweiterung im Programm. Unter Elektrikern erfreut sich das System recht großer Beliebtheit, da es sic einfacher konfigurieren lässt als eben ein klassisches KNX-Bussystem. Systemintegratoren und KNX-erfahrene Installateure verweisen dagegen auf das abgeschlossene System und die begrenzte Zahl an steuerbaren Komponenten, die auch in Einfamilienhäusern recht schnell erreicht sein kann. 

Die Bedienoberflächen von Gira X1 (links) und Jung Smart Visu Server sind weit gehend vorkonfiguriert. Das spart viel Aufwand und Zeit – und damit für den Kunden auch Kosten – bei der Einrichtung der Systeme.
Die Bedienoberflächen von Gira X1 (links) und Jung Smart Visu Server sind weit gehend vorkonfiguriert. Das spart viel Aufwand und Zeit – und damit für den Kunden auch Kosten – bei der Einrichtung der Systeme. 

Jung und Gira dagegen setzen bei ihren kompakten Einfamilienhaus-Systemen dagegen auf die etablierte KNX-Bustechnik und bieten dafür die neuen, kleineren Server namens Smart Visu Server von Jung und X1 von Gira an. Diese beiden Geräte sind mit unter 1.000 gegenüber über 2.000 Euro für die großen Pendants nicht nur deutlich günstiger in der Anschaffung. Sie besitzen auch ab Werk programmierte Basisfunktionen und sind so viel schneller einzurichten. Unterschied: Während man etwa im großen Visu Pro Server von Jung alle Parameter des Hauses wie Stockwerke, Räume sowie Funktionen frei definieren und die Benutzeroberfläche fast beliebig gestalten kann, gibt der „Smart Visu Server” einen Rahmen fürs Gebäude und seine Menüs vor. Praktisch bedeutet das auch, dass der kleine Server nur einen Bruchteil der Zeit beansprucht, um ihn in Betrieb zu nehmen. 

Flexiblere Angebote vom Elektriker und Systemintegrator

„Es ist schon erstaunlich, was sich gerade bei den Smarthome-Systemen tut“, sagt Systemintegrator Alexander Sauler von der Firma Hepp GmbH im badischen Eppingem (zum Expertenportrait). Er hat viel Erfahrung mit den Smarthome-Systemen der großen Hersteller gesammelt und ist von der neuen Gira-Steuerzentrale X1 beeindruckt. „Wenn man sieht, dass der X1 bis zu 1000 Schaltpunkte verwalten kann, dann kann man hier kaum von einem kleinen System sprechen“, sagt der Fachmann und betont, dass der „X1“ dank seines eingebauten Logik-Editors sehr universell programmiert werden kann. „Trotzdem baut sich die Menüoberfläche in der App mit ihren Kacheln und Icons für einzelne Räume und Funktionen bei der Konfiguration fast von selbst auf,“ erzählt Sauler von seinen ersten praktischen Erfahrungen mit dem System. Eine Schnittstelle zum IP-Heimnetzwerk hat der Gira X1 ebenfalls ab Werk an Bord – beim Gira Homeserver muss man diese als separates Bauteil dazu kaufen.  

Alexander Sauler, Systemintegrator von der Hepp GmbH

„Es gilt immer abzuwägen, welche Lösung auch für die Zukunft eventuelle Erweiterungen im Smarthome ermöglicht.“

Andererseits gibt der Systemintegrator zu bedenken, dass die kleinen Systeme begrenzt sind, was die Programmierung und die Integration anderer Anwendungen angeht. „Man sollte sich schon genau überlegen, welche Funktionen man künftig noch in sein Smarthome integrieren möchte und im Zweifelsfall lieber ein größeres System nehmen“, sagt Alexander Sauler, der zusammen mit seinen Kunden eben solche Fragen abklärt, bevor er in die Detailplanung geht. Im Smart Visu Server von Jung etwa lassen sich derzeit nur Philips Hue LED-Leuchten in die Steuerung integrieren, der X1 kann über seinen Logik-Editor immerhin Befehle an Sonos-Multiroomsysteme abgeben. Andere externe Verbindungen bieten die Neulinge derzeit nicht. Jung oder Gira haben zwar angekündigt, dass sie die Funktionen ihrer Neulinge weiter ausbauen wollen, doch welche das sind und wann diese verfügbar sein werden, ist völlig offen. 

Hager Coviva: Das KNX-kompatible Funksystem vom Profi

Im Hause Hager ist die Ausgangssituation etwas anders. Die KNX-Zentrale des Herstellers ist weniger mächtig aufgestellt, Der Domovea Server bietet beispielsweise schon immer eine schlichte, aber gut strukturierte Standard-Visualisierung, die ähnlich der neuen Systeme von Gira und Jung individuell anpassbar, aber nicht völlig frei programmierbar ist. Hier bietet man neben dem KNX-System die brandneue Coviva Smartbox an, das vom Elektriker im Nachrüst- und  Renovierungsbereich eingesetzt werden soll. Es besteht aus verschiedenen Unterputz- und Aufputz-Komponenten und einer App mit Standard-Menüoberfläche.

Die Coviva Smartbox von Hager mit der zugehörigen Steuerungs-App.
Die Coviva Smartbox von Hager mit der zugehörigen Steuerungs-App.

Die Coviva Smartbox und ihre angeschlossenen Aktoren und Taster kommunizieren über die so genannte Quicklink-Funktechnik. Sie ist eine Spielart des Funkstandards KNX-RF und damit auch mit dem bekannten Bussystem kompatibel. Im Unterschied zu normalen KNX- und KNX-RF-Komponenten ist auch hier keine aufwendige Busprogrammierung notwendig. Die einzelnen Komponenten wie etwa Taster und die zugehörigen Licht- oder Rollladen-Aktoren koppeln sich über Tastenkombination an den Einbaukomponenten selbst – ähnlich wie bei der Kopplung verschiedener Bluetooth-Geräte. So gesehen ist auch die Coviva Smartbox von Hager eine kleine KNX-Zentrale, die zeitsparend und vor allem funkbasiert konfigurierbar ist. 

Die Coviva Smartbox steuert Quicklink-Funkkomponenten.
Die Coviva Smartbox steuert Quicklink-Funkkomponenten.

Auch die Coviva Smartbox soll auf Dauer mehr externe, vernetzte Geräte in ihre Steueurngslogiken integrieren können. Derzeit kommuniziert sie etwa mit „Netatmo”-Wetterstationen, die der Heizungssteuerung Daten liefern. 

Fazit: Die Smarthome-Welle rollt

Nicht nur Systemintegratoren berichten in den vergangenen zwei Jahren über eine massiv wachsende Nachfrage für bezahlbare Smarthome-Lösungen. Auch die Entwicklungen de Hersteller geht ganz klar in diese Richtung – und das ist gut so. Eine Elektroinstallation auf Basis des KNX-Bus ist, ebenso wie bei anderen Techniken wie etwa dem EnOcean-Funkstandard, nicht wesentlich teurer als eine klassische, „dumme“ Ausstattung mit endfest zugeordneten Schaltern und Verbrauchern.

Mit der reinen Businstallation – ohne eigenen Server – lassen sich bereits einfache Gruppenschaltungen oder flexible Lichtszenen realisieren, die sich über unterschiedliche Taster, per Bewegungsmelder oder mit anderen Sensoren aktivieren (siehe Kasten rechts). Die am schwierigsten kalkulierbare Größe im Smarthome war bislang die Intelligenz des Systems in einem Heimserver. In der allein schon ziemlich teuren Hardware musste ein Experte teils tagelang programmieren. Mit den neuen Servern wird das besser kalkulierbar – Gira verspricht, dass die Programmierung und Konfiguration eines Hauses im neuen X1 in einem Tag erledigt ist. So wird Smarthome-Technik tatsächlich für praktisch Jedermann bezahlbar. Daran sollten Interessenten auch den Fachbetrieb ihres Vertrauens messen. 

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